Manuela Barth: „Tous photographes?“ Überlegungen zur Klärung des Amateurbegriffs
„Tous photographes!“ behauptet der Titel einer aktuellen Ausstellung im Musée de l’Elysée in Lausanne, die sich mit dem „Wandel der Amateurfotografie im digitalen Zeitalter“ beschäftigt. Der hier verheißene Anbruch der „Stunde der Amateurfotografen“ wird ausschließlich auf die Erweiterung von Produktions- und Distributionsmöglichkeiten durch digitale Medien zurück geführt; einer der Sponsoren, die Computerfirma Hewlett Packard, verspricht in diesem Zusammenhang sogar die „Demokratisierung der Digitalfotografie“ sowie „Vollkommene Freiheit für Fotografen“. Tatsächlich geht mit der Ende der 1980er Jahre einsetzenden Popularisierung digitaler Bildtechnologien eine Neustrukturierung und Neubewertung der Produktion und Distribution von Amateurfotografien einher. Eine rein technische Beschreibung – als Wandel von analoger zu digitaler Fotografie – lässt aber viele grundlegende Aspekte dieser Entwicklung außer Acht. Bezieht man z.B. die sozialen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen in die Betrachtung neuer alltäglicher Fotopraktiken ein, so verwandelt sich die vollmundige Behauptung im Titel der Lausanner Ausstellung in eine Reihe aufschlussreicher Fragen, denen ich zumindest ansatzweise nachgehen möchte, um ihre Tragweite und Relevanz aufzuzeigen.
Zunächst muss aber der Begriff „Amateur“ umrissen werden. Er wird in Fotozeitschriften aber auch im kultur- und sozialwissenschaftlichen Diskurs über Amateurfotografie weniger über spezifische Bildpraktiken oder aufgrund des entsprechenden Selbstverständnisses der Akteure, sondern vielmehr in Abgrenzung zum „Profi“ definiert. Daraus ergibt sich ein weites, heterogenes Feld: es umfasst Gelegenheits-KnipserInnen, die z.B. Familienfeste und Urlaubsreisen dokumentieren, ebenso wie ambitionierte Hobby-FotografInnen, die sich an Wettbewerben und Ausstellungen beteiligen, und entsprechend heterogen gestalten sich die Bildpraktiken. Es wäre außerdem genauer zu klären, wie der Zugang zur Amateurfotografie reguliert wird durch soziale Herkunft, Geschlecht und Alter.
Mit einem differenzierteren Amateur-Begriff soll weiter gefragt werden:
- ob die Teilnahme von AmateurInnen an Medienöffentlichkeiten tatsächlich erst mit der Verbreitung digitaler Technologien beginnt.
- wie sich die vermehrte Veröffentlichung von Amateurfotografien auf die konventionelle Trennungen von Profitum und Amateurtum auswirkt.
- ob sich hier eine Emanzipation von der Rolle als reine KonsumentInnen andeutet oder ob AmateurInnen nicht gerade durch Partizipations- und Kreativitätsversprechen zu vermehrtem Konsum angeregt werden sollen.

 

 

 

 

 

 


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