Winfried Gerling: Der Einsame der Zeit
(Vortrag mit Filmausschnitten zu “Der Einsame der Zeit")
Vor gut 40 Jahren, im Jahr 1963 begann Hans Joachim Thunack mit den ersten Arbeiten zu seinen Film „Der Einsame der Zeit“. Er beabsichtigte, die werkgetreue Verfilmung eines Groschen-Science-Fiction-Romans von Karl Herbert Scheer. Das Werkgetreue ist typisch für das Streben eines Fans und Amateurs. Besser machen, echter sein im Sinne der Vorlage, als es die Profis vermeintlich sein können. Außerdem auch Erster sein – im Sinne einer Erstverfilmung. Das hat sich inzwischen etwas relativiert, da die Arbeiten am Film bis heute andauern.
Das Werk von Hans Joachim Thunack und seinen Mitstreitern, man sollte wohl eher von einem Prozess als von einem Werk sprechen, wird mich vornehmlich in drei Richtungen interessieren:
1. Die Mediengeschichte, die sich in diesem Filmprojekt widerspiegelt.
Das Projekt wurde als Normal-8 Film begonnen und hat über das Videobild bis hin zu Drehs in DV die gesammelte Amateurtechnik der letzen 50 Jahre verwendet. Inzwischen wird das vollständig digitalisierte Material am PC fertig geschnitten. Dies ist auch in Bezug auf die Entwicklung der Medienästhetik sehr interessant, da das Projekt vom komplexen analogen Filmtrick bis hin zu digitalen Montagen verwendet.
2. Wie Arbeit im Amateurfilmbereich in einem positiven Sinn völlig unökonomisch sein kann. Der Film hat bis jetzt gute 40 Jahre Produktionszeit gebraucht und wie H.J. Thunack sagt, die Mittel eines Eigenheims verbraucht. Mehr als 200 Personen haben inzwischen Arbeit und Zeit ohne Entgelte investiert, was als Lohn insgesamt sicher ein Vielfaches dieses Eigenheims ausmachen würde.
3. Wie ein solches Amateurfilmprojekt das Leben der Mitwirkenden bestimmen kann und umgekehrt. Diese Leben werden, anders als in professionellen Spielfilmproduktionen, in das Geschehen involviert und in der Produktion sichtbar.
Ein weiterer Aspekt, der untersuchenswert erscheint, ist der Stoff des Films. Ein Stoff, der zur Zeit des kalten Krieges geschrieben wurde, eine im wesentlichen männlich dominierte, weiße, westlich orientierte Vorstellung einer robotisierten Zukunft proklamiert und das aus der Perspektive eines Mensch gewordenen Aliens erzählt. Ferner wird die erste und einzige Frau, die in der Romanvorlage auftritt, mit dem Adjektiv „hysterisch“ beschrieben. Das ist die an sich historisch gewordene Vorstellung einer Zukunft.
Dieser Film kann als außerordentliches Beispiel einer Amateurfilmproduktion gesehen werden, der durch seine extreme Produktionsgeschichte viele Aspekte des Amateurfilmschaffens in sich exemplarisch vereint. Dies herauszuarbeiten ist Ziel des Vortrages.
H.J. Thunack bei youtube »


Stills aus “Der Einsame der Zeit":


 

 

 

 

 

 


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