Gabriele Konsor: „Der Bauer mit der Kamera“. Vortrag mit Film-, Foto- und Tondokumenten
Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Festivals „08/16 - 1. Filmtage Havelland“*, das 2005 in Rathenow zum Thema „Der Amateur“ stattfand, waren die so genannten Amateurfilmstudios der DDR – Filmzirkel, die größeren Betrieben bzw. den örtlichen Kulturhäusern angegliedert waren und deren Mitglieder für ihre filmerische Tätigkeit von Profis ausgebildet wurden.
Eine herausragende Position nimmt hier das Amateurfilmstudio der LPG (P) Linum mit seinem Leiter Emil Jurkowski ein: Jurkowski (Jahrg. 1934) ist Bauer und hat sein Leben in dem brandenburgischen Dorf Königshorst verbracht. Von Jugend an leidenschaftlicher Fotograf und Hobbyfilmer, machte er eine erstaunliche Karriere vom Traktoristen zum hauptberuflichen Filmchronisten seiner LPG. Er betrieb das Amateurfilmstudio weitgehend allein und drehte zwischen 1965 und 1989 rund 30 Filme.
Jurkowskis Filme dokumentieren umfassend und in großer stilistischer Bandbreite Leben und Arbeitsalltag im Dorf: da gibt es die generationenübergreifende Familienchronik, das stimmungsvolle Filmessay mit Winterimpressionen und den klassische Dokumentarfilm zu landwirtschaftlichen Themen. So genannte Arbeitsschutzfilme warnen – meistens auf humorvolle Art und in drastischen Bildern – vor Gefahrenquellen am Arbeitsplatz und geben Handlungsanweisungen zur Vermeidung von Unfällen. In Kurzspielfilmen und Spielfilm-Dokus thematisiert der Filmemacher – vor allem seit Mitte der 1980er Jahre – in satirischem Tonfall zunehmend auch ökonomische Missstände.
Durch seine filmerische Arbeit und die damit verbundenen Reisen und Kontakte zu Städtern und Filmprofis nahm Emil Jurkowski seine bäuerliche Lebenswelt gleichzeitig aus Innen- und Außensicht wahr. Aus dieser Erfahrung entstehen Arbeiten wie der Spiel/Dokumentarfilm „Beleidigung“, der der Frage nachgeht, ob die Bezeichnung „Bauer“ eine Beleidigung ist.
Die Reflektion über die eigene berufliche Identität bewegt Emil Jurkowski bis heute und nimmt einen wichtigen Stellenwert in den Gesprächen ein, die wir mit ihm führten. Dass er als filmender Bauer zwei Berufswelten in sich vereint, die von ihrem Wesen her gegensätzlicher kaum sein könnten, führt zu Konflikten auf beiden Seiten und platziert Jurkowski im Niemandsland: Seine „ackernden“ Kollegen in der LPG betrachteten die zeitintensive Filmerei als Drückebergerei vor der „richtigen“ Arbeit auf dem Feld. Und für die Filmprofis von der DEFA war er zwar ein liebenswerter Exot, aber letztendlich doch nur ein Bauer, der filmt – ein Amateur eben.

* Das Konzept für das Festival wurde in Kooperation mit Studenten des Studiengangs Europäische Medienwissenschaft der FH Potsdam zusammen mit Prof. Winfried Gerling entwickelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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